Es ist dieser eine Moment, in dem alles kippt. Eigentlich warst du heute ganz gut unterwegs – soweit das eben geht mit deinem Erschöpfungslevel. Du hast es geschafft, aufzustehen, ein bisschen Ordnung zu schaffen, vielleicht sogar einen Hauch von Freude gespürt. Doch dann kippt das Kind zum dritten Mal das Wasserglas um. Oder will sich einfach nicht anziehen. Oder unterbricht dich beim Telefonieren. Und plötzlich ist sie da – diese heiße, rasende Welle. Wut. So heftig, dass du dich selbst erschrickst. Als hätte jemand anderes deinen Körper übernommen.
Du bist nicht allein mit dieser Erfahrung. Viele Frauen, vor allem Mütter, erleben genau das – es gibt inzwischen einen Begriff dafür: „Mom Rage“. Doch was da in Wahrheit durchbricht, ist oft mehr als „nur“ Wut. Es ist ein unüberhörbarer Schrei des Nervensystems, das zu lange geschwiegen hat.
Mom Rage verstehen: Wut als Sprachrohr der Seele
„Mom Rage“ ist kein modischer Begriff. Es ist ein Hilfeschrei. Ausdruck einer tiefen inneren Not, die lange ignoriert oder unterdrückt wurde. Ein Staudamm, der bricht. Denn hinter diesen Ausbrüchen liegen oft Monate oder Jahre voll Daueranspannung, emotionaler Verantwortung und dem Gefühl, alles allein stemmen zu müssen. Vor allem Frauen mit chronischer Erschöpfung oder sensiblem Nervensystem sind besonders anfällig für diese Explosionen. Nicht, weil sie „zu sensibel“ sind – sondern weil ihr System schon lange überlastet ist.
Unser Körper funktioniert oft erstaunlich lange im Ausgleich – selbst wenn innerlich schon längst nichts mehr rundläuft. Besonders im Alter zwischen 35 und 45 häufen sich jedoch körperliche Zusammenbrüche. Es entstehen unerklärliche Symptome und Krankheiten etablieren sich. Warum? Weil die Ressourcen aufgebraucht sind. Hormonelle Veränderungen setzen ein. Genetisch bedingte Stoffwechselbesonderheiten zeigen sich deutlicher. Nährstoffe werden vom Darm schlechter aufgenommen, Giftstoffe sammeln sich im Gewebe. Der Körper altert – und das System ist müde. Müde vom Funktionieren. Vom Stillhalten. Vom Durchhalten. Was früher noch irgendwie ging, bricht nun spürbar zusammen. Es wird sichtbar. Es schreit nach Veränderung.
Vor allem Frauen mit chronischer Erschöpfung oder sensiblem Nervensystem sind besonders anfällig für diese Explosionen. Nicht, weil sie „zu sensibel“ sind – sondern weil ihr System schon lange überlastet ist.
Wut als Warnsignal des Nervensystems
Vielleicht kennst du das: Du funktionierst, so gut du kannst. Gibst dein Bestes – Tag für Tag. Doch unter der Oberfläche stauen sich all die unausgesprochenen Bedürfnisse, die nie erfüllten Pausen, die ständige Selbstverleugnung. Dein Nervensystem gerät in einen Dauerzustand von Alarm. Und irgendwann, wenn der letzte Tropfen fällt – kommt die Wut.
Das ist kein Zeichen von Schwäche. Es ist ein Warnsignal. Dein Körper sagt dir: Es reicht.
Die unsichtbare Last der modernen Mutterschaft
Kaum jemand kann sich vorstellen, wie viel Verantwortung wirklich auf einer Frau lastet, die alles richtig machen will. Wir tragen das Familienleben, kümmern uns um jedes Detail, hören auf die leisesten Signale unserer Kinder, stehen früh auf, gehen spät ins Bett – und dazwischen versuchen wir, gut zu funktionieren. Wir arbeiten, pflegen, organisieren, kochen, planen. Wir sollen beruflich erfolgreich, liebevoll, präsent, gesund, informiert und belastbar sein – alles zugleich.
Und dann hören wir Sätze wie: „Ich weiß gar nicht, wie wir das früher alles geschafft haben.“ Doch früher war nicht heute. Früher waren Kinder draußen, haben gespielt, waren den ganzen Tag unterwegs. Heute müssen wir sie vor Bildschirmen schützen, emotionale Nähe geben, Förderung leisten, allgegenwärtig sein. Und ja, es ist einfach zu viel. Es ist normal, dass du geschafft bist. Es ist verständlich, dass dein System irgendwann rebelliert. Und es ist zutiefst menschlich, dass du wütend wirst, wenn alles zu viel wird.
Die wahren Ursachen von Mom Rage
Mentale Überlastung: Meistens tragen Mütter die unsichtbare Verantwortung für das gesamte Familiensystem – von der Organisation des Alltags bis hin zur emotionalen Unterstützung. Du organisierst, planst, trägst Verantwortung – selbst dann, wenn du selbst schon lange am Limit bist.
Gesellschaftlicher Druck: Die gesellschaftlichen Erwartungen an Mütter üben einen immensen Druck aus. Das Bild der „perfekten Mutter“, die alles mit einem Lächeln schafft, ist nicht nur unrealistisch – es ist unmenschlich. Und doch tragen so viele Frauen es wie eine unsichtbare Bürde auf ihren Schultern. Auch tiefe Prägungen aus der Kindheit spielen hier eine Rolle.
Keine Zeit für dich selbst: Zwischen Kinderbetreuung, Haushalt und Beruf bleibt kaum Raum für Erholung. Doch genau das braucht dein Nervensystem, um in die Regulation zu kommen. Wenn alle Energie nach außen fließt, bleibt für Selbstfürsorge oft nichts mehr übrig. Dabei ist sie essenziell – für dich, für deine Gesundheit, für dein ganzes Sein.
Körperlich: Stehen deinem Körper nicht alle erforderlichen Bausteine zur Verfügung, bricht er irgendwann zusammen – physisch, psychisch und emotional. Nährstoffmängel (B-Vitamine, Omega-3-Fettsäuren usw.) bleiben unentdeckt und verhindern eine Regulation.
Ein Ruf nach Veränderung
„Mom Rage“ ist kein persönliches Versagen. Kein Makel. Sondern ein klares Zeichen: Du darfst deine Bedürfnisse ernst nehmen. Du darfst Hilfe annehmen. Du darfst für dich sorgen. Es ist kein Egoismus, sondern ein Akt der Liebe – dir selbst und deiner Familie gegenüber.
Und wenn du das Gefühl hast, alle anderen schaffen das doch auch – dann erinnere dich: Auch sie haben Momente des Zusammenbruchs. Sie zeigen es nur nicht. Du bist nicht schwach. Du bist ehrlich.
Was du tun kannst: Erste Schritte in die Selbstregulation
- Atem holen: Auch wenn es nur eine Minute ist – spüre deinen Körper, deinen Atem. Nimm dich wieder wahr.
- Achtsamkeit im Alltag: Ein kurzer Moment in der Sonne, ein tiefer Atemzug am offenen Fenster – auch kleine Inseln können Kraft geben.
- Austausch mit anderen Frauen: Geteilte Wut ist halbe Wut. Und geteiltes Mitgefühl heilt.
- Hol dir Unterstützung: Eine liebevolle Begleitung auf Augenhöhe kann dir helfen, den Weg in die Selbstfürsorge wiederzufinden – sanft und in deinem Tempo.
Wenn du dich in diesen Zeilen wiedererkennst: Ich sehe dich. Ich weiß, wie erschöpfend es ist, wenn man das Gefühl hat, am Rand des eigenen Lebens zu stehen. Und wie viel Mut es braucht, trotzdem weiterzugehen. Du bist nicht falsch. Du bist nicht allein. Und du darfst auf dich achten.
Die Gesundheitswende ist kein schneller Weg. Aber ein echter. Mit kleinen, liebevollen Schritten. Und ich gehe ihn gern mit dir.